Wo und wie ich Geschichten schreibe
Stellt man sich einen Schriftsteller bei der Arbeit vor, sofern man seine Tätigkeit überhaupt als Arbeit bezeichnen kann, ließe sich das etwa so beschreiben: Er sitzt alleine in einer Kammer vor einem kleinen, hölzernen Schreibtisch mit nichts darauf als einer Schreibmaschine und einem schweren Glas, gefüllt mit ölig-reichhaltiger Flüssigkeit, vorzugsweise braun. Das Licht ist gedimmt, die Atmosphäre bedrückend und befreiend zugleich, die Luft ideengeschwängert. Man hört im Hintergrund wahlweise Instrumentalmusik oder es herrscht – bis auf die Anschläge – absolute Stille. Man fühlt regelrecht die vielzitierte Einsamkeit des Autors und beneidet ihn um seine Möglichkeit, sich mit seiner Leidenschaft für Worte und Geschichten stundenlang aus der Realität zurückzuziehen.
Und so ist »Mimis Welt – Die Sache mit dir« entstanden? Nun ja – nicht ganz.
Der erste Band von Mimis Welt wurde größtenteils halb liegend, halb sitzend auf der Couch geschrieben. Mein Rücken hat entsprechend gelitten, wie man sich vorstellen kann. Aber zu diesem Zeitpunkt war das Schreiben nichts anderes als ein Zeitvertreib, den es erstmal auszuprobieren galt. Jede Nacht, die ich aufgrund einer der zahlreichen Dienstreisen meines Mannes mit Klein-Stein alleine zu Hause verbrachte, war dem Schreiben gewidmet. So konnte ich das Geheimnis, an einem Roman zu arbeiten, auch sehr lange wahren. Während Klein-Stein friedlich von Einhörnern und Blumenwiesen träumte, hämmerte ich Wort für Wort in mein klitzekleines MacBook. Das Ende des ersten Teils von Mimis Welt schrieb ich übrigens in einem Wellnesshotel in Aigen-Schlägl, während eines Kurzurlaubs mit meiner Mama.
Irgendwann – in der ersten Überarbeitungsphase – outete ich mich als eine, die ein Buch schreibt. Von da an schrieb ich auch am großen Esstisch in der Küche, im Liegestuhl am Balkon, im Garten oder im Schlafzimmer. Aber ich hatte keinen eigenen Schreibtisch, geschweige denn ein Arbeitszimmer. Das hat einen entscheidenden Vorteil: Man lernt, neben Kinder-Hörspielen, Küchengeräuschen, homeofficebedingten Telefonaten des Mannes und sonstigen Alltagsgeschehnissen in aller Seelenruhe (weiter) zu schreiben. Es gibt beinahe nichts mehr, das einen aus der Szene rausreißt – blutende, weinende oder um Hilfe schreiende Mitmenschen (bei Letzterem ist Dringlichkeit des Tons entscheidend) ausgenommen.
Mit der Routine geht eine gewisse Flexibilität einher. Ich behaupte, dass ich mittlerweile beinahe überall und unter fast allen Umständen schreiben kann. Drinnen, draußen, mit Menschen, mutterseelenallein, absolute Geräuschlosigkeit, Technomusik …
Daher entstanden einige Kapitel des zweiten Bandes an zwei frühlingshaften Tagen auf einer Parkbank mit Blick auf die Donau. Während Klein-Stein mit ihrem Opa das Fahrrad ausfuhr, schrieb ich einige Kapitel. Man fängt die Umgebung ein; legt sie unmittelbar und ohne Filter in die Worte. Falls ihr im zweiten Teil über Schwäne lesen solltet (wer weiß, ob sie die Überarbeitungsrunden überstehen), dann gab es dieses »Bild« und den verzweifelten Versuch des einen Schwans, gegen die Strömung des Flusses anzuschwimmen, wirklich. Hoppla, ich plaudere schon wieder.
Ein Drabble für die Bankzweigstelle West tippte ich vor kurzem in einer Parkgarage ins Smartphone. Die Kurzgeschichte »Geburtstagsparty für Max« entstand ausschließlich im Bett.
In der Zwischenzeit habe ich mir im Wohnzimmer einen Schreibplatz eingerichtet. Das eigene Zimmer fehlt noch. Noch, denn das wird sich auch bald ändern.
Eines musste ich feststellen: Es ist völlig egal, wo meine Texte entstehen, diese romantische Vorstellung vom Autorenalltag/Autorenleben, die ich am Anfang des Beitrags beschrieben habe, bewahrheitet sich nur sehr selten. Ich wäre manchmal gerne ein wenig einsamer und hätte es lieber etwas stiller. Aber ich bin sicher, so geht es (fast) allen Autorinnen und Autoren.