Neues Jahr – Neues von Stein
Ein neues Jahr ist angebrochen und ich freue mich, dass ich 2022 hinter mir lassen kann. Natürlich gab es da diese schönen Momente … Urlaube, Zeit mit der Familie, lustige Abende mit Freunden, ganz zauberhafte Lesungen aus meinen Büchern und sogar zwei Buchveröffentlichungen.
Das Projekt #1bild2geschichten zugunsten herzkranker Kinder ging in eine zweite Runde und brachte ein wunderschönes Taschenbuch auf die Welt. Es ist gefüllt mit Bonusgeschichten, die im letzten Jahr eingereicht und vorab auf der Website veröffentlicht wurden. Eine Bestellung dieser 2go-Ausgabe ist auf allen gängigen Buchplattformen möglich.
Außerdem machten es sich Ende des Jahres 52 Drabbles aus der Online-Serie »Bankzweigstelle West« gemeinsam mit großartigen Illustrationen von Alexander Steinberger zwischen zwei Buchdeckeln bequem. Es ist als Hardcover im Geschenkbuchformat als limitierte Erstauflage auf www.bankzweigstellewest.at erhältlich und glaubt mir, es lohnt sich!
Das vergangene Jahr hielt jedoch auch die eine oder andere Enttäuschung bzw. Ernüchterung bereit. Wenn ich das Unwort des Jahres küren dürfte, würde ich mich ohne zu zögern für »warten« entscheiden. Warten auf Rückmeldungen, auf Anrufe, auf Ergebnisse, auf Erfolge, auf Entscheidungen, auf Schreibzeit … Schleichend stellte sich bei mir eine gewisse Unversöhnlichkeit ein, die mich in eine grantige Frau verwandelte. Ich nahm es persönlich, wenn ich keine Antworten auf Mails erhielt, wenn wieder Ferien oder Kranksein meine Schreibpläne durchkreuzten, wenn ich Projekte aufschob, in der (vergeblichen) Hoffnung, dass ich dadurch mehr Erfolg habe, als wenn ich es zum Abschluss bringe. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich in eine zermürbende Abhängigkeit von der Meinung und den Prioritäten anderer Menschen hineinmanövrierte, und dabei mein Bauchgefühl ignoriert habe.
Die Tage zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag habe ich einerseits dazu genutzt, um die Rohfassung eines neuen Romans fertigzustellen. Auf der anderen Seite habe ich mir bewusst gemacht, was ich will, wohin ich will, was mir die Erreichung der Ziele wert ist und vor allem, was ich nicht (mehr) gewillt bin zu tun. Das klingt alles schön und wahnsinnig gut, die Umsetzung ist jedoch anstrengend. Ich muss dafür nämlich noch viel lernen: Nein sagen zum Beispiel. Außerdem muss ich mir selbst mehr zutrauen und auf meine Gefühle vertrauen.
Wenn man sieht, was auf dieser Welt geschieht, kann man schon einmal müde werden. Mich erfasst oft eine eigenartige Form der Gelähmtheit, wenn ich mich der Newsticker auf meinem Mobiltelefon aussetze. Man blickt in die Ukraine, in den Iran, auf die Kinderstationen der Krankenhäuser, auf die braunen Flecken auf der Skipiste, auf Aktivisten und die Politik …
Erst gestern erging es mir wieder so, als ich in einer Online-Tageszeitung las, dass in den Morgenstunden ein Mann in meiner (fast) Heimatstadt seiner Frau ein Messer in den Bauch rammte und anschließend einen Amoklauf über mehrere Stunden mit mehreren Schwerverletzten veranstaltete.
Gewalt gegen Frauen ist hier in Österreich ein riesiges Thema. In benachbarten Ländern scheint die Lage ähnlich problematisch. Vergewaltigungen, Femizide und absichtliche schwere Körperverletzungen stehen an der Tagesordnung. Frauen werden stundenlang und auf bestialische Art und Weise in den Gemeindewohnungen gefoltert. Sie bringen sich in Lebensgefahr, wenn sie sich nachts allein draußen bewegen. Und manchmal auch allein dadurch, dass sie sich in den falschen Mann verliebt haben.
Vor fast genau einem Jahr wurde in Oberösterreich eine Frau von ihrem Mann erschossen, als sie gerade am Tisch saß. Für mich gab dieser erste von 28 mutmaßlichen Femiziden im Jahr 2022 in Österreich den Ausschlag, um eine bereits leise vor sich hinschlummernde Idee in einen Roman zu verwandeln. Bei der Recherche begegnete ich Abgründen, die die Worte »Gewalt gegen Frauen« in unauslöschliche Bilder in meinem Kopf verwandelten.
Das Ergebnis dieser aufwühlenden Zeit ist der Roman »Frauenmord in Venberg« und ich freue mich, dass ich sagen kann: Das Buch erscheint bald!
Anmerkung zum Buch: Venberg ist eine fiktive Gemeinde in Österreich. Der Ortsname steht für alle Orte auf der ganzen Welt, an denen Frauen und Mädchen Opfer von Gewalt wurden und werden.
Mir ist bewusst, dass wir Autoren niemandem die Waffe aus der Hand schlagen und keine verbesserten Arbeitsbedingungen für medizinisches Personal erwirken. Wir werden auch den Klimawandel nicht stoppen. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir mit unseren Geschichten etwas verändern können, sei es auch nur im Kleinen. Es geht nicht darum, die Tanne in den Wald zu schleppen, sondern um die Saat, die wir ausbringen.